- Entdeckung des ersten Wärmesensors im Gehirn
- Molekulare Wirkweisen von Enzymen in der Xanthonbiosynthese
- Neuartiger EGFR Inhibitor mit Anti-Tumor Eigenschaften
- Implantate zur verbesserten Protein-Wirkstoff-Verabreichung
Wie funktioniert die Wärmeregulation im Gehirn eines Menschen wirklich? Mit dieser Frage haben sich Forscher der Universität Heidelberg befasst. Sie gehören zu den vier Expertenteams, die am 26. Oktober 2017 den PHOENIX Pharmazie Wissenschaftspreis erhalten haben. Die weiteren Preisträger kamen von der Technischen Universität Braunschweig, der Eberhard-Karls-Universität Tübingen sowie der Goethe-Universität Frankfurt am Main.
Mit der Auszeichnung würdigte die PHOENIX group zum 21. Mal innovative und herausragende Arbeiten aus der pharmazeutischen Forschung und Entwicklung. Der mit insgesamt 40.000 Euro dotierte Award zählt zu den renommiertesten Wissenschaftspreisen im deutschsprachigen Raum.
Eine unabhängige Jury unter der Leitung von Professor Jörg Kreuter, Goethe-Universität Frankfurt, zeichnete Arbeiten aus den Fachbereichen Pharmakologie und Klinische Pharmazie, Pharmazeutische Biologie, Pharmazeutische Chemie sowie Pharmazeutische Technologie aus.
„Mit dem Wissenschaftspreis wollen wir die pharmazeutische Grundlagenforschung in Deutschland, Österreich und der Schweiz stärken“, so Oliver Windholz, Vorsitzender der Geschäftsführung PHOENIX group, während der Preisverleihung in Frankfurt. Moderatorin Nina Ruge führte die Gäste aus den Bereichen Wissenschaft und Apotheke durch den Gala-Abend.
Die Preisträger des PHOENIX Pharmazie Wissenschaftspreises 2017 in den Kategorien sind:
1. Pharmakologie und Klinische Pharmazie
Unter der Leitung von Prof. Dr. Jan Siemens, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Mit der Arbeit: The TRPM2 channel is a hypothalamic heat sensor that limits fever and can drive hypothermia
Veröffentlicht in: Science 353, 6803 (2016)
Kern der Arbeit:
Die Entdeckung des ersten Wärmesensors im Gehirn kann Aufschluss über die Gehirnfunktion von Überhitzung bei Fieber geben. Das Protein TRPM2 lässt ab einer bestimmten Temperatur von rund 39 Grad Celsius Kalzium in die Zellen fluten, das eine Signalkette in Gang setzt, woraufhin der Körper Wärme ableitet. Das Team von Prof. Dr. Jan Siemens hat einen molekularen Einblick in die komplexen und bisher noch wenig verstandenen Mechanismen der Wärmeregulation im Gehirn erhalten und erhofft sich von TRM2 eine potentielle therapeutische Nutzung. TRPM2 scheint bei der normalen Feinregulation der Körpertemperatur keine entscheidende Rolle zu spielen - es muss also noch weitere Wärmesensoren in diesem Bereich des Gehirns geben. Erst wenn eine Überhitzung droht, zum Beispiel bei hohem Fieber, sorgt es dafür, dass die überschüssige Wärme abgeleitet wird.
2. Pharmazeutische Biologie
Unter der Leitung von Prof. Dr. Ludger Beerhues, Technische Universität Braunschweig
Mit der Arbeit: Bifunctional CYP81AA proteins catalyse identical hydroxylations but alternative regioselective phenol couplings in plant xanthone biosynthesis
Veröffentlicht in: Nature Communications 7, 11472 (2016)
Kern der Arbeit:
Johanniskraut ist eine unserer wichtigsten Arzneipflanzen. Ihr hochkonzentriertes Extrakt wird als Therapieoption zur Behandlung von leichten bis mittelschweren Depressionen verwendet. Obwohl das Wirkprinzip des Krauts noch nicht genau bekannt ist, so muss es doch die in der Pflanze enthaltene Chemie sein, welche die Pharmakodynamik auslöst. Prof. Dr. Ludger Beerhues und sein Team haben sich den bislang vernachlässigten Xanthonen in Hypericum zugewandt. Über Genexpressionsanalysen, Homologiestudien, Heterologe Expression von Enzymen und deren Mutagenese, sowie Modellingstudien – also der ganzen Bandbreite der modernen Biotechnologie - konnte die Gruppe Details zur molekularen Wirkweise von Enzymen in der Xanthonbiosynthese beschreiben.
3. Pharmazeutische Chemie
Unter der Leitung von Prof. Dr. Stefan Laufer, Eberhard-Karls-Universität Tübingen
Mit der Arbeit: Lung cancer: EGFR inhibitors with low nanomolar activity against a therapy resistant L858R/T790M/C797S mutant
Veröffentlicht in: Angew. Chem. Int. Ed. 55, 10890
Kern der Arbeit:
Die Entwicklung von neuen, besseren Medikamenten findet zum Großteil in der Pharmazeutischen Industrie statt, Im besten Fall verläuft die Translation zwischen Grundlagenforschung und klinischer Anwendung äußerst effektiv. Tatsächlich gibt es jedoch eine Kluft die schwer zu überwinden ist – die in der Wissenschaft auch „Valley of Death“ genannt wird. Viele potentielle neue Wirkstoffe fallen aus verschiedensten Gründen dieser Schlucht zum Opfer. Entscheidend für die Translation zwischen Grundlagen-Wissenschaften und Pharmazeutischer Anwendung sind interdisziplinäre Forschungsansätze und Kooperationen. Das Team von Prof. Dr. Stefan Laufer hat einen neuartigen EGFR Inhibitor mit Anti-Tumor Eigenschaften entwickelt, mit der Besonderheit, dass der Wirkstoff auch nach der Mutation von EGFR, wie sie bei Patienten mit Resistenzentwicklung auftritt, eine starke biologische Aktivität zeigt. Der Wirkstoff scheint also gewissermaßen „Resistenz-resistent“ zu sein.
4. Pharmazeutische Technologie
Unter der Leitung von Dr. Matthias G. Wacker, Goethe-Universität Frankfurt am Main
Mit der Arbeit: Optimizing novel implant formulations for the prolonged release of biopharmaceuticals using in vitro and in vivo imaging techniques
Veröffentlicht in: Journal of Controlled Release 235 352 (2016)
Kern der Arbeit:
Dr. Matthias G. Wackers Arbeitsgruppe stellte neuartige, mit Interferon ß-1a und Trypsinogen als Modellproteine beladene Implantate her, die mit einer dicken Nadel, einem sogenannten Trokar, subkutan appliziert werden. Mit den Proteinen wurden dann Protein-Heparin-Nanokomplexe hergestellt, diese wiederum in Methylcellulose und Hyalonuronsäure eingebettet und nach Gefriertrocknung zu zylindrischen Implantaten verpresst. Die neuartigen Implantate ermöglichten eine längere Verweildauer wie auch erhöhte Blutkonzentrationen des Fluoreszenz-Labels und stellen einen vielversprechenden Weg dar, die Applikation von Protein-Wirkstoffen wesentlich zu verbessern.